WhatsApp und Snapchat als Marketing-Tool – ein Selbstversuch
Kann man WhatsApp und Snapchat für Marketing-Aktivitäten nutzen? Wir haben es ausprobiert – und uns einige Male ziemlich geärgert. Ein Selbstversuch.
Kann man WhatsApp und Snapchat für Marketing-Aktivitäten nutzen? Wir haben es ausprobiert – und uns einige Male ziemlich geärgert. Ein Selbstversuch.
Keiner ist mehr auf Facebook. Stattdessen treiben sich die jungen Leute (aber nicht nur die) in Micro-Communities wie WhatsApp oder Snapchat herum, senden einander Nachrichten und Snaps und lassen Unternehmen und deren mühsam aufgebaute Social-Media-Strategie links liegen. Einzelne Unternehmen nutzen sie trotzdem als Marketing-Tool. Ob und wie das geht, haben wir selbst ausprobiert.
Wie überprüft man eine neue Social Platform darauf, ob sie sich zur Verbreitung von Content für Marketingzwecke eignet? Wir verwendeten kurzerhand unsere Seite „Useless Facts“ als Testobjekt. Auf den bestehenden Facebook– und Google+-Seiten werden regelmäßig interessante, skurrile oder unterhaltsame Fakten auf Englisch zusammen mit einem lustigen Bild gepostet. Wir testeten also den denkbar einfachsten Fall eines Social-Media-Postings: Regelmäßig Bilder mit einen kurzem Begeleittext an interessierte Nutzer des Netzwerks zu senden. Wie einfach – und wie sinnvoll – ist dies auf WhatsApp und Snapchat?
Fast jeder hat WhatsApp, zumindest in unseren Breiten – es wird gern als (beinahe) kostenlose, weltweit einsetzbare Alternative zu SMS genutzt. Letztes Jahr kaufte Facebook sich den Message-Dienst um 14 Milliarden; 800 Millionen Menschen nutzen ihn (Stand April 2015). Obwohl WhatsApp vor allem zur Kommunikation mit Freunden und Bekannten – sehr oft in Gruppen – gedacht ist, haben sich auch eine Handvoll Unternehmen auf das Terrain gewagt. Die Tageszeitung Der Standard versendet etwa aktuelle Nachrichten per WhatsApp und erreicht damit bereits mehr als 10 000 User.
Wie geht man es also an, WhatsApp so zu verwenden, wie es ein Unternehmen tun würde? Als erstes legten wir einen neuen Nutzer namens „Useless Facts“ an. Dabei stießen wir gleich auf die erste Hürde: WhatsApp-Accounts sind fix mit einer Handynummer verknüpft – man benötigt also ein Handy, das man rein für die Marketingtätigkeit abstellt, und kann den Account nur von einem Gerät aus verwalten. (WhatsApp macht hier zwar schon erste Schritte hin zur Verwaltung auf PCs, einige für uns wichtige Funktionalitäten fehlten jedoch noch.)
Nach einer Runde interner Tests stellten wir folgendes Posting auf „Useless Facts“ auf Google+:
Der zweistufige Anmeldeprozess war notwendig, da nur Personen, die man selbst im Handy-Telefonbuch eingespeichert hat, einem Nachrichten schicken können – damit will WhatsApp Spam verhindern. Gleichzeitig mussten wir auch die Nummern unserer Abonnenten in unser Telefonbuch einspeichern. Um den Überblick zu behalten, nummerierten wir alle, die sich anmeldeten, durch:
Im nächsten Schritt legten wir auf WhatsApp eine sogenannte Broadcast-Liste an, die zur Kommunikation mit vielen Empfängern gedacht ist. Diese Funktion hatte WhatsApp recht gut vor uns versteckt. Im Gegensatz zu einer Gruppe sehen die Empfänger eines Broadcasts einander nicht – für sie ist es, als hätten sie eine Einzelnachricht bekommen. Die gewünschten Empfänger werden dann zu dieser Broadcast-Liste hinzugefügt – bis zu 256 pro Liste.
Nach all dieser Vorarbeit waren wir endlich bereit, unsere erste WhatsApp-Nachricht zu versenden. Das Bild musste vom PC auf das Handy kopiert werden, die Nachricht verfasst und verschickt. Dann, der große Moment:
Unser erstes Fazit war, dass WhatsApp denkbar Marketing-ungeeignet ist. Bis zum Versenden einer Nachricht an einen großen Empfängerkreis müssen sehr viele Schritte durchlaufen werden, die allesamt manuell auf einem Handy-Screen passieren. Wir versuchten, mit AirDroid eine Zwischenstufe einzubauen – mithilfe dieses Programms kann man ein Handy per Stand-PC bedienen. Das Verfassen der Nachrichten ging nun schneller, das Kopieren des Bildes fiel weg. Doch der Hauptteil der manuellen Arbeit, das Hinzufügen neuer Abonnenten zum Telefonbuch und zu der Broadcastliste, ebenso wie das Entfernen jener, die keine Nachrichten mehr erhalten wollten, blieb gleich aufwendig. Hinzu kommt, dass eine Broadcastliste nur 256 Mitglieder haben kann.
Die direkte Verknüpfung mit der Handynummer führt einerseits zu einem Verwaltungsaufwand, andererseits aber auch zu Misstrauen bei möglichen Abonnenten. Eine der ersten Reaktionen auf unser Posting war eher ablehnend: Warum man denn da seine Telefonnummer herausgeben solle, wurde gefragt.
Tatsache ist, dass WhatsApp nicht für die Many-to-One-Kommunikation gedacht ist – und das Unternehmen selbst auch alle Schritte unternimmt, um das Eindringen von Massenkommunikation in jeglicher Form in seinen Dienst zu verhindern. Das heißt jedoch nicht, dass WhatsApp kategorisch aus jedem Marketing-Mix ausgeschlossen werden sollte. Für das reine Veröffentlichen von Postings, wie wir es von Facebook oder Twitter gewohnt sind, ist es tatsächlich nicht geeignet. Eine Handvoll Unternehmen nutzen es jedoch recht erfolgreich für die One-to-One-Kommunikation, etwa für den Kundenservice.
+ sehr viele Menschen in Österreich nutzen es
+ für Einzelkommunikation geeignet
-nicht für Marketing gedacht
-nicht für Many-to-One-Kommunikation gedacht
-Broadcast-Listen sehr beschränkt nutzbar, nur 256 Leute pro Liste
-mit Handynummer verknüpft
-händische Umsetzung nötig, was mit großem Aufwand einhergeht
Als Nächstes sahen wir uns Snapchat an. 100 Millionen Menschen, vor allem in den USA, nutzen den Dienst, der wie folgt funktioniert: Man macht einen Schnappschuss (oder ein Kurzvideo), fügt eine Zeile Text hinzu oder zeichnet mit dem Finger auf das Foto und verschickt es. Der Clou: Das Foto ist, je nach Einstellung, nur einige Sekunden lang zu sehen und verschwindet nach dem Ansehen für immer in den ewigen Weiten des Datendschungels. Diese Kurzlebigkeit der Fotos und Videos hat Snapchat den Ruf eingebracht, vor allem fürs Sexting verwendet zu werden.
Um zu testen, wie gut wir unsere „Useless Facts“ per Snapchat unters Volk bringen können, luden wir uns die App herunter und legten auch hier den User „uselessfacts“ an. Dann baten wir unsere bestehenden Fans darum, uns zu folgen:
Dieser Schritt war hier um vieles einfacher als im Fall von WhatsApp. Um unsere Facts per Snapchat zu erhalten, benötigten User nur unseren Nutzernamen:
Ebenso wie durch das „Fan werden“ auf Facebook erhielten sie durchs Adden alle unsere öffentlichen Snaps automatisch. Denn Snapchat verfügt neben der Möglichkeit, Fotos und Videos an Freunde zu versenden, über eine eigene Sparte für öffentliche Snaps, die jedem zugänglich sind.
Was jedoch nicht möglich ist, ist das Verschicken von abgespeicherten Fotos – das widerspricht wohl dem grundlegenden Schnappschuss-Gedanken der App. Also fotografierten wir das zum Fakt gehörige Foto kurzerhand vom Bildschirm ab und versahen es mit Text. Dabei stießen wir auf ein Problem: Die Zeichenanzahl ist (extrem) begrenzt. Klar, es geht bei Snapchat um das Bild, der Text ist nur schmückendes Beiwerk – aber nur ein Bruchteil unserer „Useless Facts“ ließ sich in dieses Format pressen. Umfassende Produktinformation ist hier zum Beispiel nicht möglich.
Danach wählten wir aus, dass es dem geneigten User 10 Sekunden lang angezeigt werden sollte.
Und schließlich wählten wir „An meine Geschichte senden“ aus:
In der „Geschichte“ finden sich alle öffentlichen Posts eines Users. Während Privatnachrichten wirklich nur wenige Sekunden lang angesehen werden können, sind diese Mitteilungen immerhin 24 Stunden auf Snapchat einsehbar. In seiner eigenen Geschichte kann man auch überprüfen, wie viele User sich das Bild oder Video bereits angesehen haben (an der Zahl neben dem kleinen Auge zu erkennen):
Insgesamt gestaltete sich die Verwendung von Snapchat recht intuitiv und einfach.
+ einfache Handhabung
+ niedrige Hemmschwelle, sich anzumelden
+ unkompliziert sowohl für Many-to-One- als auch für One-to-One-Kommunikation nutzbar
-in Österreich (noch) nicht verbreitet
-Hochladen von Fotos nicht möglich
-Textlänge sehr begrenzt
-Nur reine Momentaufnahmen möglich
Wenn es ein großes Fazit aus unserem WhatsApp-Snapchat-Selbsttest gibt, dann folgendes: Social-Media-Plattformen sollten stets passend zu ihren jeweiligen Eigenschaften und Vorteilen genutzt werden.
Klar, wenn man versucht, sie auf die genau gleiche Weise zu nutzen wie etwa Facebook, dann versagt vor allem WhatsApp kläglich. Denn unser Selbsttest ging, vielleicht etwas naiv, davon aus, dass die Verbreitung eines Bildes und dazugehörigen Textes an eine große Gruppe eine Grundfunktion eines Social Networks sein sollte. So kennt man es schließlich von Facebook: Ein Unternehmen postet Content, Fans sehen, liken und kommentieren ihn. Die neuen Plattformen aber zeigen, dass dies bei weitem kein Naturgesetz ist. Bei Facebook & Co wurde ja auch bereits der Untergang der klassischen Werbung, bei der das Unternehmen ausschließlich zum Kunden spricht, vorhergesagt. Nun ist das durch Micro-Communities noch viel stärker der Fall.
Es wäre aber auch ein Fehlschluss, zu denken, dass die One-to-One-Kommunikation in der Zukunft das einzig Wahre sein wird. Stattdessen wird es eine immer größere Vielfalt an Plattformen (und damit Online-Marketing-Werkzeugen) geben, die auf ganz unterschiedliche Weise funktionieren. Ein Unternehmen kann idealerweise dann aus diesem Angebot wählen, je nachdem, welche Plattform und Funktionsweise zu seinen aktuellen Kommunikationszielen passt. Eigentlich eine schöne Aussicht.
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